Donnerstag, 17. August 2006

Freie Wähler greifen Oberau an.

Ab und an checke ich bei meinen Informationstouren durchs Internet auch die lokalen Webpages durch, unter anderem die paar wenigen der im Oberland aktiven politischen Gruppierungen und Parteien. Auf der Seite der Freien Wähler Garmisch ist mir gestern sofort das Wort "Oberau" ins Auge gestochen. Vor allem klingt der reisserische Einleitungssatz "Erst Oberau, dann Grainau, demnächst Farchant" nach etwas ungutem. Das ist mir doch einen tieferen Blick wert. Der Text scheint schon etwas älter zu sein. Datum steht keines dabei. Aber egal, er steht auf der Hauptseite der FWG, und jetzt wird er verrissen.

Erst Oberau, dann Grainau, demnächst Farchant. Was zunächst als Gewerbegebiet nach gutem Willen klingt, entpuppt sich später als Mogelpackung. Wieviel großflächigen Einzelhandel verträgt das Tal? Hier lesen Sie eine Stellungnahme der Freien Wähler.

Freie Wähler Garmisch-Partenkirchen

So seht es auf der Hauptseite der Freien Wähler GAP.

Eigentlich wollte ich nur ein paar Textblöcke zitieren, aber ich erlaube mir, den gesamten Text als Zitat hier zu bringen und meine Kommentare reinzuschreiben. Den Text find ich nämlich aus der Sicht eines Oberauers äusserst seltsam.

Kommentare eingerückt:

Welche Gewerbegebiete brauchen wir wirklich?

Insgesamt stellen wir Freie Wähler derzeit eine bedenkliche Entwicklung in unserem Talkessel fest. Immer mehr Grünland wird sogenannten Gewerbegebieten geopfert, und das, obwohl wir hier in einer Region leben, die vor allem von ihrer unverbrauchten Landschaft lebt.


Mehr als bedenklich ist dabei auch, wie die bayerische Regierung mit ihren Regionalplanern und Landesentwicklern diesem Trend gegenüber steht. Es kann doch nicht im Sinne einer verantwortlichen und nachhaltigen Entwicklung in der Region sein, wenn immer mehr Supermärkte und Discounter der verschiedensten Brachen an jeder Dorfein- und –ausfahrt im Tal entstehen. Sie sind gewiss nicht die Lösung unserer Strukturprobleme, ganz im Gegenteil. Diese Projekte bieten die schlechteste Wertschöpfung, sie bringen den Kommunen weder nennenswerte Steuereinnahmen, noch bieten sie die Arbeitsplätze, auf die unsere Schulabgänger warten.

Letzter Satz: Komplett Falsch. Die Garmischer Wählermenschen hätten vielleicht mal ganz kurz ihre Oberauer Kollegen fragen sollen, was Aldi und Trigema der Gemeinde Oberau an Einnahmen bescheren und welche finanziellen Probleme Oberau ohne dieses Geld hätte. Arbeitsplätze: Gut, Trigema und die drei weiteren Geschäfte dort bieten eher Nebeneinkünfte für Kinder erziehende Mütter, aber auch das wird von unserem Staat gefördert und ist sicher nicht schlecht. Bei Aldi ist die Belegschaft stabil, meinen Beobachtungen zu folge. Gut, auch nicht die allerhochwertigsten Jobs, aber lieber bei Aldi als Hartz IV. Schulabgänger: Beim C&C sind in den letzten Jahren einige Schulabgänger untergekommen und konnten dort eine fundierte Ausbildung geniessen, die sicher einen guten Start ins weitere Berufsleben ermöglicht.


Irgendwie erinnert das ganze an ein Wettrennen der Bürgermeister, wer seine Wiesen – und wenn’s eine sauer Wiese ist – am schnellsten an irgendeine Handelskette verscherbelt. In den 70er Jahren gab es schon einmal so ein Wettrennen. Damals musste jede Gemeinde ein schöneres und größeres Hallenbad haben, als die NAchbargemeinde. Heute wären viele Bürgermeister froh, wenn sie diesen unrentablen Klotz wieder vom Bein hätten.

Irgendwie erinnert mich dieser Text an eine Hetzkampagne. Es gibt ein paar Bürgermeister, die gemerkt haben, dass sich die Struktur wandelt, ganze Industriezweige verlagern ihr Geschäft nach Polen, dem Tourismus fehlen auch die nötigen Impulse, also müssen Alternativen her. Vielleicht schwingt in diesem Text auch ein bisserl Neid mit, da es Garmisch bis heute noch nicht geschafft hat, obwohl genügend interessenten schon da waren, preiswerte Flächen für Gewerbe und Industrie anzubieten und diese Firmen jetzt eben ins Umland ausweichen.


Was passiert gerade in unserer Region? Murnau plant riesige Einzelhandelsflächen, Oberau hat seinen Aldi und plant weiter, in Grainau entsteht gerade ein Aldi. Garmisch-Partenkirchen hat jetzt einen Lidl, Aldi und Obi sollen neu und noch größer entstehen, ein riesiges Fachmarktzentrum ist in der Planung, und viele Tausend Quadratmeter Verkaufsfläche sollen noch in der Mittenwalder-, der Chamonix- und der Bahnhofsstraße gebaut werden. Farchant will nun am südlichen Ortsausgang auch sein „Gewerbegebiet“, und auch hier handelt es sich nicht um die Ansiedlung von mittelständischen Unternehmen, sondern - wie in allen anderen Fällen auch – nur um großflächigen Einzelhandel.

Oberau plant weiter? Das würd ich wissen. Wo denn? Ach der Text ist schon uralt, schade, dass ich den jetzt erst gesehen hab. Aber egal, jetzt schreib ich weiter. Es ist wahrscheinlich Trigema gemeint gewesen. Ja, im ersten Moment taten mir die drei Bäume auch leid. Aber sie waren halt auch zwischen einer vierspurigen Straße, einer zweispurigen Straße mit parallel laufender Bahnlinie und dem Wohngebiet zu finden. Und das bot sich halt an. Und jetzt, wenn ich das fertige Projekt sehe, muss ich sagen, gut gemacht Imminger. Ja, klar, gut gemacht, gesamter Gemeinderat, ohne gehts ja nicht. Arbeitsplätze und Einnahmen siehe oben. Imagefördernd ist die Fa. Trigema meiner Meinung nach für Oberau auch noch. Ausserdem ein Schlechtwetterziel für Touristen, da haben wir eh viel zu wenig zu bieten.


Als es um unsere Stellungnahme zu den Plänen von Grainau für ein Gewerbegebiet in der Schmölz ging, waren wir nicht etwa deshalb beleidigt, weil es uns in Garmisch-Partenkirchen nicht gelungen war, die Firma Jura zu halten. Nein, der Grund war ein anderer: Noch vor Planungsbeginn in Grainau unternahmen wir ernsthafte Versuche, das sog. „Schuster-Woldan-Grundstück“ für ein echtes Gewerbegebiet zu erschließen. Damals verweigerte der Bürgermeister aus Grainau die Zufahrt zu diesem Areal über wenige Quadratmeter Grainauer Flur kategorisch. Sein offizielles Argument war, dass ein Zusammenwachsen der Orte verhindert werden solle. Das Ergebnis ist bekannt.
Passiert das gleiche jetzt in Farchant? Natürlich müssen mittelfristig weitere Gewerbeflächen ausgewiesen werden. Aber wenn schon Gründland in unserem engen Talkessel geopfert werden soll, dann doch am besten für einheimische Unternehmen, die erweitern müssen, um konkurrenzfähig bleiben zu können, und für die Neuansiedlung von mittelständischen Betrieben, die Arbeitsplätze und Steuereinnahmen bringen.

Die Freien Wähler appellieren deshalb eindringlich an die Nachhaltigkeit in der Flächennutzung. In den Gemeinden, aber auch ortsübergreifend und auf Landkreisebene muss ein ernsthafter Dialog gerührt werden, wohin diese Reise gehen soll. Denn mit dem, was in den nächsten Jahren an Aldis, Lidls, Müllers, Normas etc. noch entstehen soll, decken wir längst keinen dringen Bedarf mehr ab. Vielmehr machen sich die Gemeinden durch das Anbieten von Flächen an den Ortsrändern mehr und mehr zum Spielball im Verdrängungswettbewerb der Großfilialisten. Wenn hier nicht konsequent und verantwortungsbewusst gegengesteuert wird, werden sich die Verantwortlichen eines Tages fragen lassen müssen, warum sie die Identität einer Region, ihre Unverwechselbarkeit, auf dem Altar des globalisierten Billigkonsums geopfert haben.

Was mir bei diesem Geschreibsel am meisten aufstösst, ist der Angriff auf Oberau, schon die hetzende Einleitung. Trigema steht wie gesagt mitten in einem Dreieck aus Straßen und Bahn, da wurde keine wirklich wertvolle Grünfläche geopfert. Aldi wurde auf einem ehemaligen Fabrikgelände errichtet, eine Fabrik, die auf Grund des globalen Strukturwandels leider den kürzeren zog. Der C+C Großmarkt wurde ebenfalls auf dem frei werdenden Fabrikgelände gebaut. Einem Leser, der sich nicht auskennt, vermittelt der Text, dass Oberau in den letzten Jahren auf Teufel komm raus wertvolle Grünflächen verheizt hat. Das ist aber nicht wirklich so. Es wurden überwiegend industriell genutzte Flächen in Flächen für den Handel umgewandelt.


Ausserdem muss ich sagen, dass hier in Oberau keine Monokultur herrscht, das kommt ja in den Text durchaus so rüber. Wir haben mittelständischen Tourismus (vier Hotels, viele weitere Vermieter, zahlreiche Restaurants), Dienstleistungsbetriebe (Pro Seniore, Zeltverleih), mittelständische Industrie (Langmatz, Zerhoch Wasserkraftwerke u.ä.), mittelständische Handwerker (Dachdecker Bobinger, Zimmerei Rapp u.w.) und eben Handel. Für mich ein idealer Mix um in der Zukunft zu überleben.


Ein Rundumschlag, nur weil man selber verschlafen hat, auf Europäisierung, Globalisierung und Strukturwandel zu reagieren, der ist fast schon lächerlich.

Meine Bescheidene Meinung.


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