Freitag, 31. August 2007

Heute vor zehn Jahren

Es wird wohl zwischen vier und fünf Uhr Früh sein. Was soll das? Unten auf der Straße schreit irgendein Typ wie ein blöder. So ein Depp. Aber eine Stimme hat er, sonst würde man ihn nicht hören, fünf, sechs oder sieben Stockwerke über der Straße in irgendeinem Londoner Mittelklassehotel. Mann, gestern der Flug hierher, dann noch schnell London Sightseeing Express, und heute Morgen soll die Rundreise "Südengland" losgehen, und da raubt mir irgendein Narr den Schlaf.

Ich schaue auf meine Uhr, tatsächlich, es ist halbfünf Uhr Ortszeit. Und der Typ schreit sich die Seele aus dem Hals. Ich gehe nicht nach unten, obwohl, neugierig wäre ich schon. Aber nein, London bei Nacht, alleine, das sollte man nicht tun.

Sieben Uhr. Stephan ist schon im Bad, er will sich das English Breakfast auf keinen Fall entgehen lassen.

Ich bin ein eher langsamer Aufsteher, ausserdem hat mir ja der Schreihals den Schlaf geraubt. Erstmal den Fernseher an, vielleicht gibts irgendwo Musik, mit MTV wacht man besser auf.

Auf den ersten sieben Kanälen sind überall Bilder von einem Autowrack zu sehen. Nichts anderes. Doch, ab und zu Bilder von Prinzessin Diana. Was in britischen Fernsehsendern jetzt nicht so aussergewöhnlich sein wird.

So ganz kapier ichs noch nicht, aber irgendwann assoziiere ich den schwarzen Rand um die Bilder im Fernsehen mit dem Schreihals auf der Straße. "Stop Press, Latest News, Tragedy", sowas konnte ich aus den Wortfetzen extrahieren.

Stephan fragt aus dem Bad "Und, gibts was neues im Fernsehen?" - "Ja, Prinzessin Diana ist tot". "Du Depp" tönt es zurück aus dem Bad. Tja, für Prinzessin Diana wäre es in diesem besonderen Falle nicht so blöd gewesen, wenn ich ein Depp gewesen wäre.

Stephan hats noch weniger kapiert als ich, also sind wir erstmal runter, frühstücken. Dort war alles noch ganz normal.

Nach dem Frühstück und Auschecken in der Lobby warteten um die 15 Deutsche auf ihren Reiseleiter, der mit betretener Miene in den Saal schritt. Ein echter Schotte. Er war sichtlich berührt von dem was er gerade auch durch die Nachrichten erfahren hatte.

Die anderen Deutschen, zumeist Rentner, hatten noch nichts von Dianas Unfall mitbekommen. Typisch. Als unser Guide mit belegter Stimme erklärte, dass über Nacht der Stern der britischen Monarchie in den Himmel aufgefahren sei, waren die Mitreisenden ganz schön fertig mit der Welt.

Dann ging sie los, eine Rundreise durch ein Land voller Fahnen auf Halbmast, Trauerbildern in Geschäften, Kondolenzbüchern und bedrückten, trauernden Menschen überall.

Und ich mal wieder mittendrin statt nur dabei.

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